Zu der Geschichte - Autorenseite Michael Derbort

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Zu der Geschichte

Lesefutter > Romane > Splatter

Ihr kennt den Begriff vermutlich: Unter Splatter fassen wir jene Horrorfilme zusammen, in denen das Blut nur so spritzt und die Jugendschutz-Spinner jedes Mal einen Herzinfarkt kriegen. Ich habe diesen Begriff übernommen, um eine Seuche zu definieren, die die Welt weitestgehend entvölkert und aus ehedem normalen Menschen blutrünstige Bestien macht.
Das klingt nach Zombie-Sujet, denken sich jetzt sicherlich viele - und Bingo: Genau das ist es!
Aber eben nur zum Teil: Zombies sind bekanntlich lebende Tote (welch hübsches Oxymoron). Mit einem kleinen Paradigmenwechsel sind sie es in dieser Geschichte nicht. Aber umarmen würde ich mich von denen auch nicht lassen. Sind ziemlich uncool, diese Jungs und Mädels.
In der Folge ist die Geschichte auch heftig blutrünstig und (was vielen Lesern bisher bitter aufgestoßen ist) extrem vulgär geschrieben. Dazu ein paar Worte:
Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive eines ausgesprochenen Misanthropen erzählt. Einer, der mit Menschen gar nicht viel anfangen kann und der nichts anderes beherrscht, als Pejorativa. In einer extremen Welt, die extreme Charaktere hervorbringt, ist eine solche Sprache fast schon zwingend. Da ich keine Kinderbücher schreibe, mache ich mir darüber auch nur ganz rudimentär Gedanken. Immerhin verfolge ich damit auch ein Ziel.
Zunächst einmal ist deutscher Horror ein Genre, das nicht besonders ernst genommen wird. Das ist schade, denn es gibt eine ganze Reihe wirklich guter Autoren. Allerdings muss auch jeder Autor sehen, dass er irgendwo seine Nische findet. Die kann einigen Leuten gefallen, vielen wiederum nicht. Ich habe meine Geschichte sehr drastisch erzählt, es gibt viel Gewalt und dazu ein Feuerwerk an Kraftausdrücken. So viele, dass mir jemand in einer Rezension sogar ganz pädagogisch einen Stern Abzug verpasst hatte. Das war sehr lustig.
Begeben wir uns in die Subtext-Ebene stellen wir fest, dass der Ich-Erzähler mit Menschen eigentlich gar nicht viel anfangen kann, aber gerade nachdem sich der Großteil der Bevölkerung dank dieser Virus-Epidemie in reißende-Zombie-ähnliche Bestien verwandelt hat, findet er den Weg zurück zu einem humanitären Menschenbild. Da der erste Teil gerade mal 160 Seiten aufweist, musste ich das kurz und schmerzlos bringen, sprich, ich bin sprachlich und dramaturgisch in die Extreme gegangen - mit voller Absicht. Und nein, es war kein Fehleindruck einer Rezensentin, die geglaubt hatte, zu bemerken, dass der gute Mann im weiteren Verlauf der Handlung sprachlich deutlich softer geworden ist. Genau das ist diese Kurve vom absoluten Mistkerl zu einem deutlich freundlicheren Zeitgenossen. Allerdings konnte ich das Ding vom Saulus zum Paulus nicht bin zur letzten Konsequenz durchziehen. Die Verbitterung muss bleiben, der Rest auch und auch der zweite Teil wird bestimmt nix für Waldorf-Schüler.
Auch drastische Sprache und explizite Sexszenen können Stilmittel sein und ich scheue mich auch nicht davor, sie einzusetzen. Viel spannender war für mich gewesen, ein grundsätzlich humanitäres Weltbild in einer solch düsteren Umgebung zu entwickeln. Ein krasser Widerspruch, der bisweilen polarisiert.
Hinzu kommt ferner, dass der erste Teil sehr dynamisch ist. Da kracht es eigentlich ständig. Im zweiten Teil habe ich hingegen dieses Tempo deutlich herausgenommen, mehr über Hintergründe geschrieben, versucht mehr Subtext einzubauen. Wer allerdings glaubt, die Sprache wird dadurch gesellschaftsfähiger, der irrt. Ich bin einfach mal frech und liefere an dieser Stelle einen Textauszug aus dem zweiten Teil (Achtung: Riechsalz sollte in Reichweite sein ...):

Wenn wir wertvolle Dinge aus dem Boden graben, laden wir das Unglück ein.
Wenn der Tag der Reinigung nah ist, werden Spinnweben hin und her über den Himmel gezogen.
Ein Behälter voller Asche wird vom Himmel fallen, der das Land verbrennt und die Ozeane verkocht.
Es ist eine seit Jahrhunderten überlieferte Prophezeiung der Hopi-Indianer, die auch im Abspann des Films „Koyaanisqatsi" zitiert wird. Gelesen hat das Ding wohl keiner. Oder es einfach nicht für voll genommen. Wer gibt schon was auf das Gequatsche von Ureinwohnern?
Die Metaphorik ist polyfunktional. Vielleicht denken viele Deppen, dieser Teil der Prophezeiung ist seit Hiroshima und Nagasaki bereits abgefrühstückt. Oh Mann, Leute! Eure Dummheit und eure Oberflächlichkeit tun schon weh.
Ich kann nur sagen: In eurer ach so westlich orientierten Überheblichkeit, in eurer bodenlosen Arroganz gegenüber anderen Kulturen, in eurem Übermenschsein, das ihr aus eurem tollen Lebensstandard abgeleitet habt, wart ihr so verfickt, verfotzt, verpimmelt, verhurt, verkackt, verschissen rotzblöd gewesen, dass ihr das, was ihr bekommen habt, auch verdient habt. Und zwar in dem gesamten Ausmaß, in seiner Endgültigkeit.
Ja, fresst nur eure Arroganz in Form von Eingeweiden eurer Mitmenschen in euch hinein. Früher habt ihr das ja auch nicht anders gemacht – nur eben subtiler.
Fickt mitten auf der Straße. Früher war das ja ach so unanständig, aber ihr hattet die Mega-Dildos und die abgefahrensten Gummimösen in der Schublade. Jetzt seid ihr wenigstens ehrlich.
Scheißt und pisst euch voll. Vergesst alle Contenance. Schreit herum wie Psychotiker in der Klapse. Was Anderes wart ihr nie gewesen. Psychotiker. Ihr habt es eben nur geschafft, nach außen hin zu funktionieren. Jetzt funktioniert eben nur noch eure Fressgier, eure Fotzen, eure Schwänze. Chapeau!
Ich pisse, scheiße und wichse auf eure toten Körper, sobald ich euch erledigt habe. Ich beobachte dann, wie sich mein Urin mit eurem Blut vermischt und die Straße herunter rinnt. Vielleicht jage ich euch nochmal eine Extrakugel durch den Schädel, nur um eure verfickten Fressen nicht mehr sehen zu müssen.
Ihr, die Gesellschaft, ihr die selbsternannten Übermenschen. Ihr, der Anfang vom Ende. Ihr, das Ende für einen neuen Anfang. Ohne euch.
Scheiße. Ich glaube, ich werde gerade unsachlich …


Alles klar? Ja, es geht im gleichen Ductus weiter. Von vorne bis hinten. Ich kann nicht im ersten Band die Sau rauslassen und dann einen auf Simmel machen. Damit würde ich mir auch die Glaubwürdigkeit nehmen. Der Hauptprotagonist und Ich-Erzähler bleibt auch weiterhin ein Kotzbrocken. Viellicht schafft es ja noch der eine oder andere, hinter diesem Feuerwerk an Vulgarismen einen gewissen Sinn zu entschlüsseln. Kleiner Tipp: Die Zitate der Hopi-Indianer sind keine Laune von mir ...
Und noch einer: Der Auszug stammt aus dem unlektorierten Manuskript. Wer Fehler findet, darf sie behalten.

Ich weiß nicht, ob jetzt alle meine Intentionen verstanden haben. Jedenfalls sollte der Letzte jetzt erkannt haben, dass wir hier nicht von Knigge reden. Splatter ist hart und auch der dritte Teil, den ich irgendwann mal anfangen werde, wird genauso hart sein. Die ersten Entwürfe habe ich inzwischen wieder in die Tonne gehauen, weil sie mir zu harmlos waren. Der Ich-Erzählerr ist eben nicht unbedingt eine Seele von Mensch. Oder nicht immer. Ich liebe ambivalente Figuren.

 
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